Schroddis Tag 542 – Und dann kam der Regen…

22 10 2011

Ort: Km 20.530, Tully Caravan Park
Ortszeit: Tag 144, 22.10.2011, 14.30 Uhr
Wetter: 26 Grad, Regen
Anwesende: Mein Schwimmreif und ich

Nachdem wir in Townsville unser Auto wiederbekommen hatten, sollte es eigentlich nach Norden gehen. Allerdings warnte uns der Wetterbericht, dass es dort fuer ein paar Tage regnerisch sein wuerde. Daher entschieden wir uns, erstmal ein Stueck nach Sueden zu fahren, um zu arbeiten bis das Wetter wieder besser wuerde. Leider waren wir fuer Farmarbeit zu einem denkbar unguenstigen Zeitpunkt unterwegs. Die Gemueseernte war gerade am Auslaufen und die Mangos wuerden erst in etwa zwei Wochen reif sein. Nach einem Tag vergeblicher

Teilabriss, Fertigstellung: Kommende Zyklonsaison

Teilabriss, Fertigstellung: Kommende Zyklonsaison

Arbeitssuche galt es einen Plan B zu entwickeln und anzugehen.

Wir wussten, dass es etwa 150 Kilometer noerdlich von Townsville eine Stadt gibt, in der die Arbeitschancen ganz gut stehen, jedoch ist dies Australiens Ort mit dem meisten Niederschlag. Nach kurzer Ueberlegung waren wir uns dennoch einig. In der Not frisst der Teufel Fliegen und wir machen lieber eine beschissene Erfahrung, anstatt gar kein Geld zu verdienen. So ging es nur wenige Minuten spaeter auf in die Stadt der Bananen: Tully.

Nicht nur, dass dieser Ort mit Regen gesegnet ist, landete hier im Februar auch das Auge einer der staerksten Zyklone seit den australischen Wetteraufzeichnungen und zerstoerte nahezu ein Drittel aller Haeuser. Wir waren also gespannt, was auf uns zukommen wuerde. 01 Regenwald

Je weiter wir richtung Norden fuhren, desto dunkler faerbte sich der Himmel. Bereits kurze Zeit spaeter begann es zu regnen, der Highway wurde huegeliger und war schlussendlich gesaeumt von tropischem Regenwald. Nur wenige Kilometer weiter fanden sich bereits die ersten Waldstuecke, in welchen nahezu kein Baum mehr stand. Auch die angrenzende Stadt Cardwell machte nach wie vor einen vom Zyklon schwer gezeichneten Eindruck. Schliesslich fuhren wir auf zwei Berge zu, deren obere Haelften gespenstisch in tiefschwarze Wolken gehuellt waren.
Und was soll ich sagen, Tully lag genau dazwischen…

02 Tully anfahrt

Ortseingang Tully: optimistische Aussichten

Fuhren wir geradewegs in die Hoelle oder war dies nur das Wartezimmer?
Im Grunde genommen wuerde mich auch Zweiteres nicht beruhigen.

Nach kurzer Fahrt fanden wir direkt den angesteuerten Campingplatz, indem wir das aus den Betonverankerungen geblasene Eingangsschild im hoch gewachsenen Gras erspaehten…

Ich denke alles weitere lasse ich euch diesmal aus meinem Tagebuch mitlesen…

Es gruesst Hackleberry Finn

Schroddi’s Tagebucheintrag erster Tag in Tully:

Tach,
es ist ja nicht so, dass ich Regen nicht schon mal geshehen haette. Aber dieser hier ist anders. Er ist nass! N A doppel S!!! Au man, ist das ein ekeliges Gefuehl!
Wir haben mangels freier Wohnwagen erstmal fuer eine Nacht in eine Blechhuette mit Hochbett eingecheckt. Boa, nichtmal ein Vordach hat das Ding. Ich bin mittlerweile schon pitschnass und echt angepisst. Klar, man kann ja nichtmal die Haustuer aufmachen, ohne geduscht zu werden. Wozu hab ich eigentlich einen Regenschirm in dieses feuchte Land mitgenommen, wenn der Siff doch sowieso horizontal kommt? Ich glaub ich werd zukuenftig Impraegnierspray anstatt Deo benutzen. Alles ist feucht hier und mittlerweile habe ich mich dreimal umgezogen, um halbwegs trocken zu bleiben. Wenn das so weitergeht, habe ich morgen schon nichts trockenes mehr anzuziehen. Ich glaube ich lege mich jetzt einfach ins Bett und schlafe, bevor ich mich hier noch mehr aufrege und am Ende vor Wut zu platze.
Wer kam eigentlich auf die beschissene Idee in dieses bloede Kaff mit dem Dauerregen zu fahren???

Was? Ich?

Hmm naja, ist ja jetzt auch egal…

Bis morgen


Schroddi’s Tagebucheintrag zweiter Tag in Tully:

Gude Tagebuch,
letzte Nacht war an Schlaf nicht zu denken. Der Regen hat permanent so laut auf das Blechdach getrommelt, dass ich irgendwann dachte, ich bekomme nen Tinitus.
Nicht genug, dass ich Kopfschmerzen habe. Hier sollte man ohnehin einen Helm tragen, da die fetten Ekelwolken so tief haengen, dass man sich problemlos den Kopf dran stossen kann. Selbst heute morgen habe ich mich noch nass gefuehlt. Mittlerweile trage ich meinen letzten Satz Waesche. Alles andere haengt in unserem Blechverschlag, ist noch genauso nass wie gestern und wird wohl bald Schimmel ansetzen. Meinen Regenschirm habe ich zwischenzeitlich aufgegeben, nachdem ihn der Wind in Einzelteilen vom Hof geweht hat. Langsam finde ich mich halbwegs mit dem Regen ab. Nachdem ich heute Vormittag in eine Pfuetze treten wollte und ploetzlich bis zur Huefte im Wasser verschwand, habe ich jetzt allerdings ein wenig Angst vor den getarnten Wasserloechern auf unserem Campingplatz. Heute Nachmittag habe ich den Nachbarskindern nur so sicherheitshalber die Schwimmfluegel geklaut, da der Bach hinter unserer Huette beaengstigend angeschwollen ist. Langsam frage ich mich wie lange das wohl noch gutgehen wird.

Bis morgen dann – vielleicht


Schroddi’s Tagebucheintrag dritter und vielleicht letzter Tag in Tully:

Ahoi mein liebes Tagebuch,
es ist jetzt Mittag und regnet immernoch ohne Unterbrechung. Mittlerweile trage ich nur noch meine Badehose und hab mir einen Schwimmreif besorgt. Der Regen ist schliesslich auch nicht mehr meine groesste Sorge. Das, was gestern noch ein angeschwollener Bach hinterm Haus war, ist mittlerweile ein reissender Fluss, welcher mir selbst in der Huette noch bis zu den Knien steht. Meinn Rucksack und den ganzen anderen Scheiss hat es bereits diesen Morgen davongespuelt. Ich fuerchte auch dich, mein liebes Tagebuch, wird es bald erwischen. In Kuerze wird das Wasser hier wohl bis unters Dach stehen. Bis dahin habe ich es mir dann aber bereits mit einem kuehlen Bier im Schwimmreif bequem gemacht und werde vermutlich richtung Meer treiben. Sollte die Sinnflut dann irgendwann mal nachlassen (Hoffnung stirbt zuletzt), werde ich mir vielleicht endlich einen Job auf einer Bananenfarm besorgen.

Liebes Tagebuch, ich danke dir fuer dein immer offenes Ohr,

zerweiche in Frieden,

dein Schroddi



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1 Antwort zu “Schroddis Tag 542 – Und dann kam der Regen…”

  • Rita sagt:

    ..scheinbar ist mein letzter Kommentar in den Fluten untergegangen ;-((((

    …aber ich hoffe, du hast deinen Schwimmreif feste genug aufgeblasen und dein Tagebuch mitgenommen…

    …ich brauche das noch!!!!!! „Zerweichen“ geht gar nicht!!!!! ….was wäre Internet ohne dieses Tagebuch 😉

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