Ort: Km 11.565, Gerade den Kaeseblech Bach passiert
Ortszeit: Tag 90, 28.08.2011, 08.30 Uhr
Wetter: 25 Grad, ein weiterer wolkenloser Tag
Anwesende: Die gnadenlose Sonne und einige grosse Voegel, welche ein totes Kaenguru am Strassenrand zerrupfen

Blau=2010, Rot=Bisheriger Trip, Gruen=Geplant bis Ende November 2011
Knapp 3 Monate leben Monique und ich nun auf der Strasse. Genau genommen sind wir Obdachlose…oder geben zumindest genauso viel Geld fuer Unterkunft aus wie Obdachlose, naemlich nichts. Dennoch leben wir echt gut, auch wenn uns viele fuer unser kleines Autochen bemitleiden und nicht glauben koennen, dass wir darin gut schlafen (was ja nicht unbedingt schlecht ist). In dieser Zeit haben wir nun ueber 11.500km zurueckgelegt und der Highway hat uns ein ganzes Stueck nach Norden gebracht. Western Australia werden wir kurz nach Kununarra verlassen, stellen die Uhren um 1,5 Stunden nach vorne und werden dann sehen, was das Northern Territory so zu bieten hat. Im tropischen Norden sind wir jedoch bereits angekommen. Im fruehen Winter bei rund 20 Grad Tagestemperatur haben wir Donnybrook verlassen und sind jetzt im spaeten Winter bei konstant 36 Grad in Kununurra angekommen. Damals haben wir noch Aepfel, Birnen und Pflaumen gepflueckt, Heute wachsen Kokos-, und Papayapalmen neben Grapefruit- und Mangobaeumen. Neben der Pflanzenwelt hat sich auch die Tierwelt unterwegs stark veraendert. Die im Sueden noch kleinen Eidechsen sind hier bis zu zwei Meter lange Dinosaurier, welche froehlich durch den Hof trampeln, die im Sueden noch fast harmlos anmutenden Brownsnakes sind hier Oberarmdicke Pytons und klauen die Truthaehne vom Hof. Die schnuckeligen weisse Haie konnten im Sueden noch den dicken raushaengen lassen, doch hier muessen sie ihr Revier mit bis 7 Meter langen
Leistenkrokodilen teilen. Nur die Spinnen sind hier nicht wesentlich groesser geworden, was ansonsten auch echt gruselig gewesen waere. Der von uns wohl ungeliebteste Zeitgenosse ist das doofe Leistenkrokodil, was das Baden an Straenden, Fluessen und Wasserloechern zu einem lebensgefaehrlichen Abenteuer werden laesst. An jeder Pfuetze stehen Warnschilder wegen Krokos. Umso deprimierender, wenn man nicht eines der Tiere sehen kann. Ich will doch unbedingt so ein Urzeitmonster in freier Wildbahn sehen. Monique ist bei dem Gedanken nicht so angetan, hat jedoch keine Wahl und muss immer mit (schliesslich muss es doch wenigstens einen Zeitzeugen fuer meinen Schroddi-Heldentod geben). Ich brauche langsam ein neues paar Stiefel und will das Rohmaterial selbst fangen. Was Crocodile Dundee und Steve Irwin nicht umbrachte, kann Schroddi doch nur haerter machen und wenn die potenziellen neuen Stiefel schon nicht zu mir kommen, dann komme ich halt zu ihnen.
Bei jeder Gelegenheit fragen wir die Einheimischen, wo denn die besten Orte seien, um mal ein Krokodil zu sehen. Die Meinungen gehen stark auseinander, worin sich jedoch alle einig sind, ist die Tatsache, dass man die Viecher nicht immer sieht, sie einen jedoch immer im Auge haben…damit ist meinem neuen paar Schuhe jedoch nicht geholfen.
Ebenfalls haette ich gerne ein paar Schuhe anstatt einem Schuh und einer Protese, dennoch will ich das ultimative „puh,-das-ist-ja-gerade-noch-mal-gut-gegangen-Erlebnis“. Anderenfalls koennte ich ja einfach direkt hinter der Farm schwimmen gehen. Die ehemaligen Hunde unseres Farmers haben auf diesem Wege bereits Korkos kennengelernt. Ganz so innig brauche ich es dann aber nicht. Naja, wie dem auch sei. Wir hatten einige Tipps eingeholt und am folgenden Wochenende wollte ich mir endlich etwas Rohleder fangen. Den Tag begannen wir an einem Wasserloch, wo wir auf einen sehr sympatischen Australier trafen. Er erzaehlte uns, dass er am Abend zuvor an einem nahegelegenen Billabong genannten Wasserloch ein rund vier Meter langes Krokodil gesehen hatte, welches sich im Sprung einen Vogel fing. Vier Meter? Aber hallo, da springt neben meinen neuen Stiefeln auch noch eine Handtasche fuer Monique raus. Als ich ihm von meiner Misere mit den bisher ungesehenen Krokos erzaehlte, gab er uns noch einen guten Tipp. Wir sollten nach Einbruch der Dunkelheit an den besagten Tuempel fahren und mit einer starken Taschenlampe mal ueber das Wasser leuchten. Dort wuerden ueberall gruselige gelbe Augen der Wasserechsen aufleuchten. Da ich mit meiner Kopflampe sogar Spinnenaugen erspaehen konnte, sollte das ja kein Problem darstellen. So begaben wir uns am folgenden Abend ueber eine schier unendliche Holperstrecke zum besagten Wasserloch. Es war bereits stockfinstere Nacht und am Teich fuehrte ein Steg mit hohem Metallgelaender das Ufer entlang. Bereits am Parkplatz hiess uns ein Krokodilwarnschild willkommen. Juhu, endlich sollte ich zu meiner lang ersehnten Sichtung kommen Monique fand diese Aktion etwas gruselig, hatte jedoch keine Wahl und musste mich begleiten. In Erwartung von Millionen reflektierenden Augen setzte ich meine Kopflampe auf und schwenkte sie ueber das Gewaesser. Allerdings nur fuer wenige Sekunden, da mir binnen kuerzester Zeit Massen an Insekten ins Gesicht flogen. Naja, darauf haette ich auch von selbst kommen koennen. Nach einigen weiteren Versuchen ohne jegliche Krokodilsichtung gab ich dann genervt von Moskitos und Faltern auf. War meine Lampe zu schwach oder hatten die Urzeit Handtaschen etwa den Braten gerochen und waren abgetaucht? Etwas niedergeschlagen ging es zurueck zum Auto, wo ich mein Glueck noch einmal mit dem Fernlicht versuchen wollte. Ich schaltete unser Gefaehrt ein und wollte ueber den Teich leuchten. Irgendwie schien jedoch unser Fernlicht nicht mehr zu funktionieren. Sollte etwa jemand oder etwas versuchen meine Sichtung zu sabotieren und die Kabel durchgebissen haben? Mal wieder auf ganzer Linie gescheitert wollte ich also vom Parkplatz rollen als ich realisierte, dass nicht nur unser Fernlicht, sondern ebenfalls unser Abblendlicht seinen Dienst eingetellt hatte. Mit Standlicht war es nahezu unmoeglich die achsbrecherische Buckelpiste bis zum Highway zurueck zu kommen. So entschied ich dann gezwungenermassen die Nacht am Dinotuempel zu verbringen. Monique konnte sich mit dem Gedanken gar nicht anfreunden. Ich versuchte also das Licht, sowie den Motor mehrmals an und aus zu schalten, jedoch aenderte das offensichtlich nichts. In dem Moment, als wir und dann doch einig waren, die Nacht vor Ort zu verbringen, leuchtete wie von Geisterhand unser Licht wieder auf. Wir waren gerettet und fuhren los, bevor es sich unsere Elektrik noch mal anders ueberlegen sollte.
Zwei Wochen spaeter wollte ich einen neuen Versuch starten. Unweit von unserer Farm kreuzte ein grosser Fluss die Strasse. An diesem Stueck wuerde die Stroemung fuer meine potenziellen Opfer zu gross sein. Daher entschieden wir uns durch den Busch ein Stueck stomaufwaerts zu laufen. 
Nach einigen hundert Metern endete der Pfad durch den Busch und uns trennte vom Fluss neben etwa 100 Metern dicht bewachsenem Schlangenterritorium ausserdem noch ein kleiner Bach, welchen ich wie Tarzan an einer Liane ueberqueren wollte. Naja, Tarzan hatte wohl nicht ganz so schwere Muskelmasse wie ich. Die Liane riss und es musste halt ein anderer Weg ueber das Gewaesser gefunden werden. Wenige Meter weiter sollte uns eine umgefallene Palme den Weg ebnen.
Nach einigem Gestolper ueber Stock und Stein erreichten wir letztendlich die Wasserkante. Wieder sah alles recht leblos aus. Langsam reichte es mir wirklich.
Kommt ihr mir so, komm ich euch eben anders, dachte ich mir und begann wild zu schimpfen und mit Steinen zu werfen. Diese bloeden Viecher schienen sich ja nicht mal provozieren zu lassen. Die Sonne wanderte bereits gen Horizont und wir mussten uns auf den Rueckweg machen, um uns nicht am Ende in Dunkelheit noch im Dschungel zu verlaufen. 
Um Kununurra war dies mein letzter Versuch an das kostbare Leder zu kommen. Rund eine Woche spaeter reisten wir weiter nach Darwin, um dort unter anderem zwei Nationalparks mit wunderschoenen Wasserfaellen zu besuchen. Allerdings konnte man auch dort weitestgehend nicht ins Wasser, da es dem Anschein nach von hungrigen Echsen nur so wimmelte. Ich schlich mich auch dort wieder zu jeder Tages- und Nachtzeit an das Wasser, wagte mich auch in eines der Wasserloecher, jedoch war von meinen potentiellen Opfern nach wie vor keine Spur. Mittlerweile war ich mir fast sicher, dass die Horrorgeschichten lediglich eine Legende seien, um die Touristen davon abzuhalten in die oertlichen Wasserloecher zu pinkeln.

Dominator
Kurz vor Darwin fand sich ein Schild „Springende Krokodile Tour“. Schweren Herzens entschied ich mich dann zwangslaeufig doch Geld auszugeben, um mir mein Stiefelleder in freier Wildbahn zu fangen. Mit einer Gabel bewaffnet ging es dann auf ein etwa 8 Meter langes Boot. Wir nahmen auf den dortigen Sitzbaenken Platz und waren nur noch durch ein etwa huefthohes Gelaender vom Wasser abgeschirmt. In gemuetlichem Tempo ging es dann den Adelaide Fluss auf und ab. Es dauerte nicht lange bis man in der ferne mit einem scharfen Blick etwas im Wasser schwimmen sah. Unser Guide haengte einen Klumpen Fleisch an einen langen Stock und hielt ihn aus direkt vor meiner Nase aus dem Boot. Gleichzeitig bat er keine Koerperteile ueber das Gelaender zu haengen. Nur wenige Augenblicke spaeter wusste ich auch warum. Etwa 20m vom Boot entfernt verschwand der Krokokopf in der trueben Bruehe, um nur Sekunden spaeter direkt vor meiner Nase aus dem Wasser zu schnellen und quasi in Lichtgeschwindigkeit nach dem Koeder zu schnappen. 
Selbst meine in der Hitze kochenden Gehirnzellen verrieten mir, dass ich diesen Dinos wohl nicht mit einer Gabel zu Leibe ruecken koennte. Sollte ich mich etwas ueberschaetzt haben? Die Klare Antwort erhielt ich wenig spaeter, als uns Dominator, ein „etwas“ groesseres Exemplar, einen Besuch abstattete. DAS war nun wirklich ein Dino, welcher mich wohl mit einem Happs inklusive meiner Gabel verschluckt haette. Der unsanfte Riese war mit knapp 6 Metern fast so lang wie unser popeliges Boot und haette kein Problem sich zum Mittagessen ein Rind zu reissen. Wenn ich auch sonst vor nichts Respekt habe, ich weiss nicht, ob ich mich in naechster Zeit wieder nachts an unbekannte Ufer schleiche.
Jetzt bin ich zwar nicht zu meinem Leder gekommen, jedoch haette ich das in Darwin mit Leichtigkeit nachholen koennen. Man muss ja ehrlich sagen, dass Australier einen etwas makaberen Sinn fuer Souveniere haben. So gibt es neben aufgeblasenen und praeparierten Ochsenfroeschen mit Whisky-Flasche in der Hand, Kaenguruhoden-Flaschenoeffner, Krokodilhand-Rueckenkratzern sogar Krokodilhand-Schluesselanhaenger, die den Stinkefinger rausstrecken.
Zwei Dinge habe ich nun ueber Krokodile gelernt. Tot schmecken sie nicht und lebendig koennen sie auch echt ekelig werden.
Daher ein Memo an mich selbst: „Halt dich besser von den Wasserechsen fern, lehn dich zurueck und mach lieber mit den Hoden ein Bier auf.“
Prost
Ex Crocodile Hunter Schroddi